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Zukunft unserer Kirche

Gesamtkirchengemeinde

Interview mit Stadtdekan Monsignore Dr. Christian Hermes

Zur Zukunft der kath. Kirche in Stuttgart und in der Diözese

Aufgrund der auch in Stuttgart zunehmend spürbaren  Herausforderungen  der  Kirche:  sinkende Mitgliederzahl, sinkende Zahl pastoraler Mitarbeitender, geringer werdendes ehrenamtliches Engagement und durch Mitgliederentwicklung und Wirtschaftslage  zurückgehende finanzielle  Mittel, startete das Stadtdekanat Stuttgart 2013 den Entwicklungsprozess „Aufbrechen“ und 2024 den Prozess „Next Steps“. 

1.  Welches  sind  die  zentralen  Ergebnisse  des  Entwicklungsprozesses Next Steps?
Die „Next Steps“ haben sechs zentrale Themenbereiche („Steps“) entwickelt. Im einzelnen geht es um unser geistliches Fundament, um unser Gemeinde- und Kirchenverständnis, um Strukturen und Verwaltung, um die Qualität unserer Angebote, die Orientierung im Sozialraum, die Entwicklung attraktiver Gottesdienstformate. Ziel ist es, die Kirche in Stuttgart so zu gestalten, dass sie attraktiv und lebendig bleibt mit deutlich weniger Ressourcen (Mitglieder, Finanzen, pastorales Personal). Wir werden kleiner und wollen kompakter, konzentrierter und weiterhin relevant sein. Die Ergebnisse werden nun in die Kirchengemeinden- und Pastoralräte zur weiteren Beratung und Umsetzung gegeben.

2. Ein wichtiges Thema dabei war: Strukturen vereinfachen – Engagement ermöglichen. Welche Vorschläge wurden hierfür entwickelt?
Für den Step „Engagement ermöglichen – Strukturen verschlanken“ wurde unter anderem vorgeschlagen, die rechtlichen Körperschaftsstrukturen (42 Kirchengemeinden, 12 Gesamtkirchengemeinden und ein Stadtdekanat) deutlich zu verschlanken und zu vereinfachen; das ist hier und in der Diözese viel zu kompliziert. Darüber hinaus geht es um Verschlankung der Gremien – unser Stadtdekanatsrat ist derzeit größer als der Gemeinderat der Stadt Stuttgart, um Verbesserung bei der Anstellung und Anstellungsträgerschaft, Schaffung attraktiver Stellen, Verbesserung der Zuordnung der pastoralen Mitarbeitenden und neue Leitungsmodelle.

3. Warum ist eine Reform der Gemeindestrukturen notwendig?
Wir haben ca. 1020 Kirchengemeinden in der Diözese, rund 220 Seelsorgeeinheiten, 25 Dekanate und, wie gesagt, 55 öffentlich-rechtliche Körperschaften in Stuttgart. Jede einzelne Körperschaft ist stark staatlich und kirchlich reglementiert, wenn wir etwa an separate Jahresabschlüsse, Haushaltspläne, Stellenpläne, aber auch starre Gremienregelungen denken. Das ist organisatorisch, aber auch administrativ zu kompliziert, zu kleinteilig und zu aufwendig. Das muss und kann schlanker und flexibler organisiert werden. Wir können uns diese Struktur nicht mehr leisten. Wir haben absehbar nicht das Personal und auch nicht das Geld, um all diesen Sonderaufwand zu finanzieren. Wir können es uns nicht leisten, dass unser Personal nicht flexibel und bedarfsgerecht eingesetzt werden kann. Ehrenamtliche beklagen sich, dass zu viel Zeit in Gremien zugebracht wird, die auch alle gemanagt werden müssen. Usw. 

4. Welche Alternativen stehen hierfür im Raum / zur Diskussion?
Ich bin sehr froh, dass das, was wir vorgedacht haben, nun genau das ist, was die Diözese im Prozess „Kirche der Zukunft“ inzwischen entwickelt hat: die Vereinigung  bisher  rechtlich  selbständiger  Körperschaften  zu  größeren Kirchengemeinden. Dabei sagen wir in Stuttgart und sagt die Diözese: die Vereinigung der Kirchengemeinden einer Gesamtkirchengemeinde wird nicht ausreichen, das ist jetzt schon klar. Möglicherweise sind die früheren Dekanate eine Orientierungsgröße, also vier Kirchengemeinden in Stuttgart in einem Stadtdekanat als Gesamtkirchengemeinde. Gerade hier in Stuttgart könnte aber auch die „große“ Lösung: Zusammenschluss aller bisherigen Körperschaften  zu  einer  einzigen,  Sinn  machen.  Das  haben  wir  im  Juni  zur Konsultation in alle Gremien und die Öffentlichkeit gegeben und sind gespannt auf die weitere Beratung.

5. Was bedeutet das für die bisher bestehenden Kirchengemeinden? Welche Veränderungen kommen auf sie zu? (Bleibt die Kirche im Dorf?)
Ja, die Kirche „bleibt im Dorf“. Das ist die wichtigste Botschaft, und das müssen wir auch alle kapieren: die rechtliche Organisation ist das eine, das ist sozusagen die technische Form, und die Gemeinschaft und das kirchliche Leben am Ort der Inhalt. Es wird in der Diözese und hier weiterhin Pastoral und Seelsorge vor Ort möglich sein, auch in neuen Rechtsformen. Wichtig ist: das hat mit der Frage der Gebäude, Kirchen usw. gar nichts zu tun, die müssen wir so oder so ja um 30% reduzieren. Auch die Zahl der Priester und pastoralen Mitarbeitenden  ist  davon  unabhängig,  nicht  aber  deren  gerechter  und angemessener Einsatz. Wichtig ist mir noch ein zweites: Kirchliches Leben ist möglich, nicht garantiert. Ob Kirche und Christentum in einem Viertel oder Stadtbezirk lebendig sind, wird davon abhängen, ob die Menschen vor Ort das leben und praktizieren. Diözese und Stadtdekanat können und müssen die bestmöglichen Voraussetzungen dafür schaffen.

6. In welchem Zusammenhang steht der Entwicklungsprozess im Stadtdekanat mit dem diözesanen Entwicklungsprozess „Kirche der Zukunft“?
Die „Next Steps“ im Stadtdekanat Stuttgart und der diözesane Prozess „Kirche der Zukunft“ mit den Teilprojekten „Räume für eine Kirche der Zukunft“, „Seelsorge in neuen Strukturen“ usw. sind eng miteinander verknüpft und ergänzen sich. Unser Bischof hat mich in die Steuerungsgruppe des diözesanen Prozesses berufen, insofern ist das optimal verzahnt. Unser Vorteil, übrigens nicht zum ersten Mal, in Stuttgart ist, dass wir an all diesen Themen schon lange dran sind. Unsere Kirchengemeinderäte, übrigens gerade auch in Vaihingen, gestalten aktiv die Zukunft. Da mache ich mir anderswo, ehrlich gesagt, eher  Sorgen, wo man all die Jahre dem Märchen geglaubt hat, dass alles so bleiben  wird wie ehedem und jetzt von null auf hundert starten muss. Denn eines ist  auch klar: wir haben überhaupt keine Zeit zu verlieren.

7. Können sich die einzelnen Kirchengemeinden, kirchliche Gruppen an  diesem Diskussionsprozess beteiligen?
Ja, der Prozess ist bewusst als Beteiligungsprozess gestaltet. Seit Juli 2024  haben sich viele hundert Menschen in Arbeitsgruppen, offenen Formaten und  Video-Workshops beteiligt. Bis Oktober 2025 sind die Kirchengemeinde- und  Pastoralräte aufgerufen, ihre Rückmeldungen zu den vorgeschlagenen  Strukturveränderungen  zu  geben.  Haupt-  und  Ehrenamtliche  aus  den  Gemeinden  und  Einrichtungen,  Gremien  und  alle,  denen  der  Weg  der  katholischen Kirche am Herzen liegt, können und sollen sich einbringen. Auf  unserer Website sind die Rückmeldemöglichkeiten beschrieben.

8. Bis wann sind Entscheidungen auf Ebene des Dekanats zu erwarten?
Der Stadtdekanatsrat hat im Mai und Juli bereits über einzelne Maßnahmen  beraten und beschlossen. In der Oktober-Sitzung setzen wir dies fort und  können bereits Rückmeldungen aus den Kirchengemeinde- und Pastoralräten   einbeziehen. Der Diözesanrat hat im Juni beraten und wird im November  Grundlinien für die Diözese, insbesondere auch zur Strukturfrage beschließen.  Die Next Steps werden dann hoffentlich vor Ort umgesetzt, und für die struktu- rellen Veränderungen würde ich mir wünschen, dass wir sie in den nächsten  Jahren umsetzen, so dass wir die nächste Wahl der Kirchengemeinde- und  Pastoralräte bereits auf die neuen Strukturen hin durchführen können. Das ist  sportlich, aber zu schaffen.

Ausführlichere Infos zu Next Steps sind hier zu finden:  https://www.kath-kirche-stuttgart.de/kirche-in-stuttgart/next-steps